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Nachruf auf Oldřich Stránský

 
 

Am Freitag, 18. Juli verstarb Oldřich Stránský im Alter von 93 Jahren. Oldřich Stránský, ehemaliger Vorsitzender der „Vereinigung befreiter politischer Häftlinge“ und des „Tschechischen Rats für NS-Opfer“, hat fünf Konzentrations- und Arbeitslager überlebt. Dennoch hat er sich – besonders in den 1990er Jahren – intensiv für die deutsch-tschechische sowie die deutsch-jüdische Versöhnung eingesetzt. In diesem Rahmen arbeitete er auch eng mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds zusammen.

„Am meisten beeindruckt hat mich, wie er es geschafft hat, die Schrecken seiner Erlebnisse umzuwandeln nicht nur in ein unablässiges Bemühen um Frieden und Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen. Oldřich Stránský setzte sich auch dafür ein, dass gerade in der heutigen wie auch künftigen Gesellschaft Werte wie Freiheit, Demokratie, Menschenrechte so starke Fürsprecher haben wie er selbst einer war“, sagte der Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds Tomáš Jelínek gegenüber dem Tschechischen Rundfunk.

„Seine Erkenntnis war, dass es überall auf der Welt schlechte wie gute Menschen gibt. Er hat mit eigenen Augen gesehen und erfahren, dass Kollektivschuld zu neuem Unrecht führt. Ich denke, all das hat seine Überzeugung geprägt, mit der er später in den 1990er Jahren und bis heute den tschechisch-deutschen Dialog mitgeprägt hat“, ergänzte Jelínek.

 

Nachruf auf Oldřich Stránský von Tomáš Kafka, dem ehemaligen Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, in der Lidové noviny vom 23. Juli 2014:

 

Einer, der dafür kämpfte, dass man die Sachen besser macht

Wenn man von deutsch-tschechischer Versöhnung spricht, fallen einem nicht nur Begriffe Deutsch-Tschechische Erklärung oder Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds ein, sondern auch eine ganze Reihe von Namen. Es handelt sich dabei um Schlüsselfiguren in einem Prozess, der – etwas übertrieben gesagt – die außenpolitische Reifeprüfung nicht nur der tschechischen Diplomatie, sondern der tschechischen Gesellschaft als solchen darstellte. Einer dieser Namen ist Oldřich Stránský.

Oldřich Stránský war während der nationalsozialistischen Besatzung aufgrund seiner jüdischen Herkunft in insgesamt fünf Konzentrationslagern inhaftiert. Gleichwohl trat er im Verlauf der 1990er Jahre in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung befreiter politischer Häftlinge und ihrer Hinterbliebenen für die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens zwischen der tschechischen und deutschen Gesellschaft ein, wozu er als Mitautor des Projektes der humanitären Hilfe für die Opfer nationalsozialistischer Gewalt aus den Mitteln des Zukunftsfonds selbst wesentlich beitrug.

Trotz all seiner Verdienste wurde Oldřich Stránský nie zur "Ikone" der deutsch-tschechischen Versöhnung. Die Fähigkeit zu Empathie und das Werben für Verständigung schrieb man eher anderen Persönlichkeiten des gegenseitigen Dialogs zu, wie z. B. Prof. Felix Kolmer. Oldřich Stránský wollte vor allem, dass man die Sachen besser macht. Und dafür war er bereit zu kämpfen. Dieser Kampf führte hin und wieder zu einer größeren Polarisierung, nicht selten auch zwischen ihm und seinen tschechischen Mitkämpfern. Oldřich Stránský konnte vermutlich nicht anders. Er war gar sehr davon überzeugt, dass „es keine Gerechtigkeit auf Erden gibt“ (so auch der Titel des Buches mit seinen Erinnerungen, an dem Teodor Marjanovič mit ihm zusammenarbeitete) und man somit keine Kompromisse mehr machen kann.

„Er hat sich verdient gemacht um die Versöhnung zwischen Juden, Tschechen und Deutschen.“ Diese Auffassung vertrat Oldřich Stránský nicht nur bei den späteren Verhandlungen um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter aus Mitteln der deutschen Regierung und der deutschen Industrie, sondern auch bei der Wertung der Vertreibung deutscher Mitbürger nach dem Krieg. Seine Einstellung brachte ihm weitaus weniger Freunde, als sie seine Autorität stärkte, und zwar sowohl in Tschechien, als auch – immer mehr – in Deutschland und Österreich. Es ist kein Zufall, dass er in beiden Ländern hohe staatliche Auszeichnungen erhielt. Herbert Werner, ein ehemaliger Kollege im Zukunftsfonds und wichtiger Repräsentant des moderaten christlich-demokratischen Flügels der sudetendeutschen Gemeinschaft, beschrieb Oldřich Stránský als jemanden, der „sich in bedeutendem Maße für die Versöhnung und Verständigung zwischen Juden, Tschechen und Deutschen verdient gemacht hat“.

Oldřich Stránský war jedoch bereit, nicht nur über seine Erfahrungen mit totalitären Regimen zu sprechen, sondern persönlich gegen sämtliche Erscheinungen von Rassismus und Diskriminierung aufzutreten. Sein Wille, Sachen besser zu machen – und dies auch von anderen einzufordern – kannte keinerlei Grenzen. Das führte ihn dazu, bei der Gründung des Tschechischen Rats für NS-Opfer mitzuwirken, dessen Ziel die Stärkung demokratischer Traditionen in der modernen tschechischen Gesellschaft war.

Am Freitag, dem 18. Juli 2014 verstarb Oldřich Stránský im Alter von 93 Jahren. Ich glaube, dass er trotz seiner Unnachgiebigkeit mit der Bilanz seines Lebens zufrieden sein konnte. Im Namen aller, die wir die Möglichkeit hatten, mit ihm zusammenzuarbeiten, möchte ich ihm auf diesem Wege danken. Die Zusammenarbeit war vielleicht nicht immer leicht, aber immer sinnvoll.

 
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