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Den Weg der höflichen Konfliktlosigkeit (Reaktion von Petr Pithart)

 
 

Respekt 31/2013

Ich weiß nicht, warum Jan Hron so ein starkes Bedürfnis hatte, einen Gedanken in meiner Rede zu trivialisieren, die ich anlässlich der Feierlichkeiten zum 15-jährigen Jubiläum des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds als Ergebnis der Unterzeichnung der Deutsch-Tschechischen Erklärung gehalten habe. Er behauptet, dass ich nur sehr anspruchslose Vorstellungen habe. Angeblich genüge es meiner Ansicht nach, wenn wir uns gemeinsam mit den Deutschen, also mit unseren früheren Mitbürgern, um genau zu sein, gegenseitig unsere Geschichten erzählen und uns bemühen, sie zu verstehen.

Herr Hron, ich habe auch schon in diesem System einige schwere Konflikte und Skandale hinter mir (ich habe die staatliche Auszeichnung mit der bayerischen Europa-Medaille abgelehnt, aber wurde auch Hand in Hand von der Führung der Karlsuniversität und der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik angegriffen), um nach so vielen Jahren mit so einer Banalität aufzuwarten. „Tolerantes Zuhören“ oder „höfliche Konfliktlosigkeit“, wie sie meinen Zugang bezeichnen, wären in der Tat zu wenig. Mir ging es und geht es um wesentlich mehr. Ich sprach von „aktiver Empathie“ - haben Sie diese Passage übersprungen?

Als ich in dieser Rede an der Existenz einer einzigen objektiven Wahrheit gezweifelt habe, die wir als Zielmarke angeblich um jeden Preis erreichen müssten, habe ich von der Notwendigkeit etwas ganz anderem gesprochen, als nur eines höflich-toleranten Dialogs: Wir sollten es anstreben und lernen, mit unseren eigenen Worten uns jene Geschichten der Anderen zu erzählen, die wir noch nicht verstehen, deren Interpretation uns widerstrebt, denen wir nicht zustimmen können...Vielleicht nur einstweilen, vielleicht aber auch für immer.Vielleicht kommt es aber auch anders, und wir finden etwas Gemeinsames. Versuchen wir kurzum, uns in ihre Haut zu versetzen. Nicht passiv wiederholen, der Ordnung halber aufzeichnen, in den gleichen Worten, mit denen sie sprechen, sondern mit unseren eigenen Worten, die unseren Erfahrungen und unserem Erleben der Vergangenheit entsprechen. Und ebenso umgekehrt: Sollen auch sie versuchen, sich in unsere Haut zu versetzen. Das ist der Weg, der dahin führt, was wir haben, unsere gemeinsamen Geschichten. Das, was den Mitteleuropäern gemein ist.

Es geht nicht nur um irgendeine gelegentliche, unverbindliche Aussprache, sondern auch um eine zielgerichtete Arbeit der Historiker und Politiker: Lasst sie auch in diese Zeit „ihre“ (die der Anderen, Anm. d. Red.) Themen, Geschichten einarbeiten, die sie traumatisieren. So wie es zum Beispiel Alena Wagnerová macht. Das ist jedoch etwas ganz anderes, als tolerant Geschichten anzuhören und sich zu beherrschen, damit kein Streit entsteht. Ach ja, warum verlernen auch schon die jungen Anhänger von Václav Havel das Lesen?

Petr Pithart, ehemaliger Senator
Respekt 32/2013

Artikel von Jan Hron

Rede von Petr Pithart

 

 
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