Vladimír Holan: Gesammelte Werke, Band 9, Lyrik VI: 1961-1965 und begleitende musikalische Lesungen

Anlässlich der Publikation von Band 9 der vom DTZF seit 2003 geförderten Gesammelten Werke Vladimír Holans wurde eine Reihe von musikalischen Lesungen veranstaltet. Der neue Titel der auf 14 Bände angelegten zweisprachigen Edition enthält Holans Lyrik aus den Jahren 1961-1965, die er unter dem Eindruck einer Operation mit Verdacht auf Bauchspeicheldrüsenkrebs schrieb. Übertragen wurden die Gedichte von Věra Koubová.

Der Prager Dichter Vladimír Holan (1905-1980) schrieb nicht nur Verse von besonderer Musikalität, er hat sich auch in seinem Werk intensiv von Musik inspirieren lassen. Seine Lieblingskomponisten waren Mozart und Janáček. Über Mozart schrieb er: „Ich halte W. A. Mozart für den größten Komponisten […]. Mozart – das ist eine universale Erscheinung.“ In ganz unterschiedlichen Schaffensphasen hat er Mozart jeweils einen ganzen Gedichtzyklus gewidmet: 1937 und 1963. Die „Mozartiana I“ enthalten einen der eigenwilligsten Texte in Holans Gesamtwerk, und zwar das poetische Gegenstück zur Vertonung eines Gedichts: eine Vertextung von absoluter Musik, nämlich Mozarts „Adagio h-Moll“. Holans „Adagio h-Moll“ ist eine auf den ersten Blick wild anmutende lyrische Phantasie, folgt in Wirklichkeit jedoch feinfühlig Mozarts Partitur.

Diese ungewöhnlich enge Verbindung von Wort und Musik im Werk des Dichters wurde von dem Freiburger Pianisten Gilead Mishory und den beiden Holan-Übersetzern Urs Heftrich und Věra Koubová im Rahmen einer musikalischen Lesung hörbar gemacht. Den Höhepunkt des Programms mit dem Titel „Holan – Mozart – Janáček: Prager Poesie und ihre Inspiration durch Musik“ stellte dabei die Aufführung des „Adagio h-Moll“ als Melodram dar. Die Lesung wurde in fünf Städten präsentiert: in Leipzig, Augsburg, Prag, Berlin und Regensburg. Die Lesung im Rahmen der Leipziger Buchmesse erfreute sich eines derartigen Besucherandrangs, dass nicht einmal alle Interessenten hereingelassen werden konnten. Zu diesem Ansturm trug sicher auch die Aura des Aufführungsortes bei: Die Lesung fand im Bach-Archiv statt, und Gilead Mishory spielte Mozart und Janáček an einem Hammerflügel. Bei Mozarts Kompositionen ist dies nichts Ungewöhnliches, im Falle von Janáček dürfte es sich hingegen um eine Premiere gehandelt haben.