Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat gemeinsam mit den Journalistenverbänden aus Deutschland (DJV) und Tschechien (Syndikát novinářů) zum ersten Mal in einer Live-Übertragung auf der Online-Plattform des Tschechischen Fernsehens und auf youtube herausragende Journalistinnen und Journalisten ausgezeichnet. So konnte ein breites Publikum auf beiden Seiten der Grenze die feierliche Preisverleihung mitverfolgen. Der Abend lag wieder in der wunderbaren Regie von Jan Horák, dem künstlerischeren Leiter des Theaters Studia Hrdinů im Prager Ausstellungspalast.
Die von Hana Scharffová moderierte Preisverleihung fand zwar coronabedingt ohne Zuschauer statt, aber in Anwesenheit der Preisträgerinnen und Preisträger und des renommierten Philosophen Miroslav Petříček, der in seiner Keynote die aktuelle Situation reflektierte und die Wichtigkeit von (medialen) Brücken in der Gesellschaft hervorhob.
Die Laudationes wurden diesmal auf originelle Weise von Schauspielern des Theaters Studio Hrdinů im Schein eines Lagerfeuers vorgetragen und vorab aufgezeichnet.
Die Geschäftsführer des Zukunftsfonds, Tomáš Jelínek und Petra Ernstberger, sagten zu Beginn der feierlichen Preisverleihung:
„Die heutige Zeit stellt den Qualitätsjournalismus vor immer größere Hindernisse: der Druck nach Schnelligkeit, das exponentielle Wachsum von Falschinformationen im öffentlichen Raum – von russischer Propaganda bis hin zu den Tweets des noch amtierenden US-Präsidenten bis hin zu Verschwörungstheorien aller Art oder den Besitz von Medienhäusern in der Hand des tschechischen Premierministers – all das erhöht die Ansprüche an Journalisten in unseren beiden Ländern. Es ist unser Ziel, all denjenigen Journalistinnen und Journalisten, die ihre Ansprüchen an sich selbst nicht senken, zu signalisieren, dass Bedarf an ihrer Arbeit besteht. Wir hoffen, dass unser Preis in dieser Hinsicht auch ein wenig als Motivation wirkt. Wir freuen uns, dass in den fünf Jahren seines Bestehens zwischen den Preisträgern sowohl Journalistinnen und Journalisten waren, für die Deutschland bzw. Tschechien eine lebenslange Herzensangelegenheit ist, als auch solche, die das Nachbarland erst kürzlich für sich entdeckt haben, aber sich ihrer Arbeit nicht nur mit der nötigen Zeit und Kenntnis widmen, sondern vor allem auch mit dem Herzen.“
Den Video-Mitschnitt der Preisverleihung können Sie sich auf der brandneuen Webseite des Journalistenpreises anschauen, wo Sie sich auch mit den Preisträgern und ihren Beiträgen bekannt machen können.
Preisträgerinnnen und Preisträger
Kategorie Text
Vladimír Ševela
Kohout? Spadl ze schodů...
[dt. Übersetzung: Der Hahn? Ist von der Treppe gefallen]
Hospodářské noviny, 30.8.2019
Kurzfimlporträt
Was ist es, was unsere Identität ausmacht, was uns mit früheren Generationen verbindet? Vladimír Ševela, Redakteur bei der Wochenendausgabe der Zeitung Hospodářské noviny, hat sich auf seiner Suche nach den Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart zu den Lausitzer Sorben begeben.
Alexandra Mostýn
Totgesagte leben länger
die tageszeitung taz, 17.11.2019
Kurzfimlporträt
Anlässlich des 30jährigen Jubiläums der Samtenen Revolution hat Alexandra Mostýn in ihrer Reportage für die Tageszeitung taz Erinnerungen von Zeitzeugen aus entgegengesetzten Lagern miteinander konfrontiert. Mostýn arbeitet in ihrer Reportage mit dem flüchtigen, subjektiven Gedächtnis, welches Erinnerungen so zurechtbiegt, dass sie in unser Selbstbild passen.
Kategorie Audio
Pavel Šuba
Příběh osady Morgenland
[dt. Übersetzung: Morgenland]
Český rozhlas, 1.1.2020
Kurzfilmporträt
Pavel Šuba hat zwei Jahre lang die einzelnen Schichten dieser Geschichte der Ortschaft Morgenland freigelegt, die nach der Abschiebung der ursprünglichen deutschen Bevölkerung verschwand. Ergebnis ist ein sensibles Porträt dieses Ortes wie auch einiger Menschen aus Vergangenheit und Gegenwart, denen dieser ans Herz gewachsen ist.
Thomas Muggenthaler
Als Kind in Auschwitz - die letzten Überlebenden erinnern sich
Bayerischer Rundfunk, 4.4.2020
Kurzfilmporträt
In seiner herausragenden Radioreportage lässt uns Thomas Muggenthaler in die Seelen von Kindern blicken, die einen Teil ihres Lebens hinter den Stacheldrähten von Auschwitz zubrachten. Kinder sehen die Welt anders als Erwachsene. Vieles, was Erwachsenen entgeht, können sie klar benennen – und oft sind das gerade solche Details, die das Wesen der Zeit viel genauer beschreiben als eine Flut von trockenen historischen Fakten und Theorien.
Kategorie Multimedia
Pavel Polák
Německé pobřeží očima Pavla Poláka
[Übersetzung: Die deutsche Küste mit den Augen Pavel Poláks]
Česká televize, 14.9.2019
Kurzfilmporträt
In letzter Zeit erfreut sich nicht nur die Ostsee, sondern auch die Nordsee bei Tschechen wieder steigender Beliebtheit. Pavel Polák hat jedoch keinen typischen Reiseführer erstellt. Die dreizehnteilige Serie vermittelt neben Meereswellen und endlosen Stränden vor allem die Geschichten hier lebender Menschen und ihrer Beziehung zum Ort.
Heike Bittner & Robert Jahn
Weitermachen in der Krise – Leben mit geschlossenen Grenzen
ARTE (TV), 16. 4. 2020
Kurzfilmporträt
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind wir gewohnt, dass die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien an Bedeutung verliert. Der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 führte jedoch zu einer unerwarteten und erschreckend schnellen Schließung der Grenzen. Heike Bittner und Robert Jahn haben im Auftrag von ARTE haben eine u. a. im MDR gezeigte Reportage gedreht, die anhand einiger grenzübergreifender Schicksale illustriert, was es eigentlich heißt, mit bzw. ohne Grenze zu leben.
Sonderpreis "Milena Jesenská"
Jan Beránek
Nikam nepatřit [Übersetzung: Nirgends zugehörig]
Česká televize, 26.12.2019
Kurzfilmporträt
Jan Beránek führt mit seiner Dokumentation anschaulich vor Augen, wie wichtig es ist, auch die Schicksale von Menschen in Erinnerung zu behalten, die nicht in ein schwarz-weißes Geschichtsbild passen. Zu diesen Menschen gehörten definitiv auch deutschsprachige Einwohner der Tschechoslowakei, die während des Zweiten Weltkriegs gegen die Nazis kämpften. Einer von ihnen war der aus Teplice stammende Kurt Taussig, dessen Schicksal und Pilotentraum Jan Beránek in seiner Dokumentarfilm gefühlsvoll dem Publikum näher bringt.
Sonderauszeichnung für langjährige herausragende journalistische Tätigkeit
Heidi Wolf
Kurzfilmporträt
Die Preisträgerin des Sonderpreises für langjährige herausragende journalistische Tätigkeit, Heidi Wolf, ist eine Journalistin aus dem bayerisch-tschechischen Grenzgebiet. Sie hat ihr Leben lang dafür eingesetzt, dass Menschen von beiden Seiten der Grenze sich besser kennenlernen können – und der Eiserne Vorhang damit nicht nur politisch und auf dem Papier fällt, sondern auch im Denken und Wahrnehmen der in der Grenzregion lebenden Menschen.
www.deutsch-tschechischer-journalistenpreis.de
foto: Ondřej Staněk, Jan Vidlička