Pressebericht, 24. November 2014
(Leitmeritz) Am Samstag, den 22. November 2014, fand in Leitmeritz die Jahreskonferenz des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums statt. Sie trug den Titel „Deutsch-tschechische Nachbarschaft: Erinnerungskultur für die Zukunft“. Politiker, Literaten, Wissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft und andere eingeladene Gäste befassten sich mit der Aktualität des historischen Gedächtnisses, das in den deutsch-tschechischen Beziehungen auch in der Gegenwart eine außerordentlich große Bedeutung hat. Die Konferenz endete am Sonntagmorgen in einer Matinee in der Gedenkstätte Theresienstadt, bei der die Befreiung des Gedenkens von politischer Vereinnahmung nach der Zeit des Kommunismus eine wichtige Rolle spielte.
Senator a.D. Luděk Sefzig und Bundesminister Christian Schmidt, die beiden Ko-Vorsitzenden des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, äußerten sich sehr zufrieden über den Stand der Beziehungen. Insbesondere sei die Vertrauensbasis gewachsen und hätte sich erfreulicherweise von einer unterschiedlichen Betrachtung der Vergangenheit hin zu einer partnerschaftlichen Kultur eines gemeinsamen Verständnisses entwickelt.
Die Vorsitzenden waren sich darin einig, dass die Ereignisse des Jahres 1989, die Tausenden DDR-Bürger, die Zuflucht in der deutschen Botschaft in Prag gesucht hatten, und die Zeit der “Samtenen Revolution“ als weitere gemeinschaftsbegründende Ereignisse in das zukunftsorientierte Gedenken einbezogen werden müssen.
Aus den Diskussionen wurde unter anderem klar, dass unter den Tschechen und Deutschen immer noch verschiedene Tabus oder Reibungsflächen zum Vorschein kommen können. Stereotype und ein selektives Erinnern seien jedoch hinderlich bei der Bewältigung der Vergangenheit und sollten daher gemeinsam und offen aufgearbeitet werden.
Die Teilnehmer diskutierten jedoch über das Gedächtnis nicht als ob es ein abgeschlossener Prozess wäre, sondern als etwas, was immer noch berührt. Dabei wurde deutlich, dass die Vergangenheit und das Erlebte, was wir mit uns tragen, nicht nur auf die Gegenwart, sondern auch auf die Zukunft wirkt. Bei der Konferenz traten auch Vertreter der bürgerlichen Initiativen auf, die nach einer Belebung der von den Deutschen früher bewohnten Gebiete streben, z.B. durch Renovierung der Sakraldenkmäler. Miroslav Pröller, Vertreter der Initiative „Kleine Denkmäler Nordböhmens“, hält es für wichtig, dass die hiesigen Menschen diese Denkmäler als ihre eigenen wahrnehmen sollten. Jan Školník veranstaltet im Rahmen des Ausbildungs- und Kulturzentrums des Klosters in Broumov eine Reihe von Kulturveranstaltungen. „In diesem Jahr haben wir eine große Ausstellung Play Broumovsko veranstaltet, die in einer alten Fabrik auf 4500 m2 installiert wurde. Sie hat 35 000 Besucher nach Broumov herangezogen, meistens aus den Schulen“, sagte er dazu.
Die Teilnehmer bezogen sich häufig auf die Deutsch-Tschechische Erklärung aus dem Jahre 1997, die bedeutenderweise zu den derzeit hervorragenden Beziehungen zwischen beiden Staaten beigetragen hat. Bei den heutigen instabilen Verhältnissen auf dem alten Kontinent ist es laut einiger Podiumsredner offensichtlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Deutschland auf einem europäischen Fundament aufgebaut sein muss. „Wir haben es geschafft, die Grundsteine der Erinnerung für die Zukunft zu legen. Jetzt müssen wir uns überlegen, wie wir in Europa unsere gemeinsamen Interessen zur Geltung bringen“, so Bundesminister Christian Schmidt, Vorsitzender des Beirats des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums. Petr Pithart, der ehemalige Präsident des tschechischen Senats, und Peter Hartmann, der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt und zudem gemeinsam mit dem ehemaligen Vizepremierminister Alexandr Vondra, Hauptverhandler der Deutsch-Tschechischen Erklärung, sprachen über die Aspekte der europäischen Zukunft der Tschechen und Deutschen. Petr Pithart äußerte sich unter anderem dahingehend, dass der Schwerpunkt der Sorgen der Europäer sich jetzt nach Osten verschiebt – Richtung Russland.
„Ich freue mich, dass diese hochrangige Konferenz auf meine Initiative in Leitmeritz und in Theresienstadt stattgefunden hat. Wenn wir die gemeinsamen sensiblen Erinnerungsorte nicht vergessen, hilft es uns Geschichtstraumata zu verarbeiten und bessere Partner für die komplizierte Gegenwart zu werden,“ sagte weiter zur Auswahl der gastgebenden Stadt Alexandr Vondra, Beiratsmitglied des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums.
Im Kontext der derzeitig erhöhten internationalen Spannung schloss Luděk Sefzig, Vorsitzender des Beirats des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, die Konferenz ab: „Es ist wichtig, sich mit den bilateralen Problemen unter den Deutschen und Tschechen zu beschäftigen. Aus der Diskussion wurde aber ganz klar, dass uns auf der länderübergreifenden Ebene nicht viel Zeit übrig bleibt. Deswegen sollten wir uns beeilen. Vielleicht werden wir uns mit viel größeren Problemen befassen müssen.“
Im Hinblick auf die gegenwärtigen Fragen der europäischen Sicherheit, vor allem angesichts des Konfliktes in der Ukraine, vereinbarten die beiden Ko-Vorsitzenden, zu einer bilateralen Veranstaltung zu diesem Thema unter Einbeziehung hochrangiger Politiker, Wissenschaftler und Medien im Frühjahr 2015 in Tschechien einzuladen.
Die Jahreskonferenz bereitet die Stiftung Forum 2000 und der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds im Rahmen einer langfristigen Zusammenarbeit bei Projekten, die die deutsch-tschechischen Beziehungen fördern sollen, vor.
Ansprechpartner:
Veronika Losmanová, Stiftung Forum 2000
veronika.losmanova@forum2000.cz, +420 728 637 968