(Bad Alexandersbad) „Erziehung zur Demokratie und Prävention von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus“ – so lautet das neue „Thema des Jahres“, das der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds (DTZF) für 2012/2013 ausruft. Das hat der Verwaltungsrat am Dienstag auf seiner Sitzung im grenznahen Bad Alexandersbad beschlossen. Projekte zum „Thema des Jahres“ werden mit bis zu 70 statt 50 Prozent der Gesamtkosten gefördert. Der DTZF reagiert damit auf eine Zunahme der gesellschaftlichen Spannungen in beiden Ländern.
„Mit Besorgnis nehmen wir wahr, dass die weniger augenfälligen Formen von Intoleranz zunehmen und es zu einer Radikalisierung der Jugend kommt. Um diesem Trend gegenzusteuern, sind neue Impulse notwendig“, erklärte der tschechische DTZF-Geschäftsführer Tomáš Jelínek beim Pressegespräch im evangelischen Begegnungszentrum. Der Zukunftsfonds wolle die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch zwischen den entsprechenden Experten, Organisationen und neuen Initiativen sowie Kunstschaffenden und Schulen fördern. „Gewalt und Extremismus sind grenzüberschreitende Probleme, da ist ein intensiver deutsch-tschechischer Austausch geboten“, schloss sich der deutsche Geschäftsführer Joachim Bruss an.
Bereits 2011 hatte der DTZF anlässlich der Unruhen um die Roma-Minderheit in Nordböhmen aufgerufen, Ideen zur Prävention zu entwickeln und finanzielle Hilfe beim DTZF zu beantragen.
Der Verwaltungsrat des DTZF hat auf seiner Vierteljahressitzung ebenso 573.000 Euro für 112 neue deutsch-tschechische Partnerschaftsprojekte bewilligt. Wie lebendig, konstruktiv und zukunftsorientiert die Beziehungen zwischen den Menschen beider Länder sind, zeigt eine Auswahl der bewilligten Projekte:
Ein handfestes Problem angehen wollen die Partnerschulen Trautwein-Mittelschule Moosbach und die Grundschule Bělá nad Radbuzou: Gewalt- und Suchtprävention. Im April 2013 arbeiten Präventionsexperten und Referenten der deutschen und der tschechischen Polizei mit 20 Schülern und Lehrern aus beiden Ländern zusammen. Brandaktuell ist das Thema gerade mit Blick auf den zunehmenden Handel mit der Designerdroge Crystal Speed über die Grenzen hinweg. Mit 4.000 Euro unterstützt der Zukunftsfonds die Zusammenarbeit der Schulen.
Der tschechische Dissident Ivan Kyncl (1953 – 2004) erlangte internationales Renommée mit spektakulären Fotografien, die er unter anderem im Magazin „Der Stern“ veröffentlichte. Die staatliche Verfolgung von Dissidenten in der Tschechoslowakei – das war Kyncls Thema. Die Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen hat vor zwei Jahren seinen Bildnachlass erworben und wissenschaftlich aufgearbeitet. Der Zukunftsfonds fördert die Ausstellung „Ivan Kyncl – Rebellion mit der Kamera“ mit 15.000 Euro. Sie wird in Bremen, Brünn und Prag zu sehen sein.
Und ein weiteres Projekt belegt, dass man sich mit Tschechien auch im hohen Norden Deutschlands befasst. Das Jugendamt des Landkreises Vechta hat das Thema des Jahres 2011/2013 „Sprachförderung“ aufgegriffen und plant ein zehntägiges Treffen der deutschen Jugendlichen mit Schülern des Gymnasiums Havlíčkův Brod. Deutsch und Tschechisch werden spielerisch vermittelt, gleichzeitig stellen die Schüler das eigene Land und seine Kultur vor. In Comics präsentieren Sie ihre Erlebnisse.
Wie ein Stein zum Anstoß werden kann, zeigt der tschechische Dokumentarfilm „Stone games“. Eine Gedenktafel im nordböhmischen Nový Bor / Haida für deutsche Bewohner, die dort nach dem Zweiten Weltkrieg gefoltert und ermordet wurden, spült die Vergangenheit nach oben und entzweit die Stadt. Der mutige Film soll dem deutschen und dem tschechischen Publikum vorgestellt werden, öffentliche Diskussionen mit Zeitzeugen, Historikern und den Filmemachern sollen Fragen aufgreifen, die der Film aufwirft. Der Zukunftsfonds unterstützt diese diskursive Reflexion der deutsch-tschechischen Vergangenheit mit fast 5.000 Euro.
Die Bügervereinigung Čmelák befasst sich mit Unterrichtskonzepten zum Thema Umwelt. Einen forschungsorientierten Unterricht an Grund- und Mittelschulen einzuführen, ist das Ziel des geplanten Projekts „Landschaft – ein Forschungs- und Experimentierraum“. Čmelák geht das ambitionierte Vorhaben mit dem Ökologischen Zentrum Neukirch / Oberlausitz an, und der Zukunftsfonds unterstützt diese konzeptionelle Arbeit für Schüler mit 19.800 Euro.
Was Theater bewirken kann, wenn einem die Worte fehlen – Worte in der Sprache des Anderen – das zeigt die Zusammenarbeit der Mörikeschule in Backnang und der Prager Partnerschule Grundschule Kladská. 44 Schüler treffen sich jeweils fünf Tage in Tschechien und in Deutschland, spielen, singen und erarbeiten gemeinsam ein mehrsprachiges Theaterstück und zwar in Tschechisch, Deutsch und Englisch. Zu sehen sein wird das Stück am 16. Oktober im Prager Theater Na Prádle.